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In Wien eröffnet eine neue Galerie und setzt beginnend mit ihrer ersten Ausstellung auf internationale Kunst. Die Gruppe “Whu Realism“ wird gezeigt. Sie wolle nicht Mainstream zeigen erzählt Irene Legris mir und versucht Nischen zu durchleuchten. Das erscheint mir bei der hier gezeigten Auswahl, als ein gutes Konzept.

Vier Künstlerinnen die gegenständliche Malerei teilweise als Plattitüde platzieren.

Moka Sheung Yan Wong

Yun Wang

Jeanine Lehninger

Amanda Du

Moka Sheung Yan Wong kommt aus Hongkong, China und studierte in London, sowie Angewandten Kunst in Wien. Sie malt beeindruckend schön, ihre Sujets täuschen in der oberflächlichen Betrachtung. Eine gehäutete Frauendarstellung blickt schmerzfrei aus dem Bild, eine andere stellt ihre halbe Anatomie zur Schau und betrachtet ihrerseits den anonymen Rezipienten teilnahmslos. Wie durch eine Maske, aus einem Körper, der nicht mehr lebensfähig scheint, spricht Anmut aus ihren weichen Gesichtszügen. Sie bedient sich der großen malerischen Gesten auch aus der erzählerischen Tradition heraus und deren Möglichkeiten, wie wir sie aus frühen Darstellungen der chinesischen Kunst kennen.Yan Wong vollzieht einen Quantensprung im Gegenständlichen und es ist fast unvereinbar, sie auf ihre Herkunft und Kultur zu reduzieren, sie zeigt diese puppenhaft drapiert, kritisch, feminin und selbstbewusst mit ihrer Attitüde. Das wird auch in ihren performativen Arbeiten spürbar. Schrill, schräg geschminkt und mit viel Aufwand inszeniert, dominiert sie ihre Zeit, ihr Theater, ihre Schönheit und Sensibilität, ihre Weiblichkeit.

Aus Hongkong kommt auch Amanda Du, die sich mit Film, Fotografie und den multimedialen Bereich der digitalen Bildbearbeitung beschäftigt. Hier liegt die Schnittstelle zu Yan Wong. Gemeinsam erschaffen sie skurrile Bildwelten und performen, bearbeiten diese Bilder, überlagern sie, setzen sie in eine bildfremde Kunstwelt. Amanda Du ist eine marsisch manische und großartige Fotografin, perfekt bis ins kleinste Detail werden Räume gebaut, eingerichtet, verdichtet, die Kleidung gewählt und jede Haarsträhne zurechtgelegt. In den fertigen Bildcollagen, nach der digitalen Bildbearbeitung wird ein Kosmos sichtbar, der zuvor undenkbar schien. Amanda Du’s Bild und Filmmaterial wird von ihr auch auf Weißblechplatten im Öldruckverfahren übertragen, diese werden zusätzlich malerisch weiterbearbeitet und verfremdet. Sowohl als Malerin als auch Konzeptkünstlerin im Bereich der digitalen Welt, ist Überlagern, Verdichten, Verfremden, Retuschieren, Auslöschen und Neufinden ihr Thema, ihr Zentrum, ihre Neugierde und, sensible Wut, einen neuen Weg zu neuen Formen der Plastik zu finden. (An dieser ihrer Weitergestaltung und Fertigstellung habe ich selbst teilgenommen).

Jeanine Lehninger, die jüngste im Kreise der Vier kommt als einzige aus Österreich, doch ihr Interesse für asiatische Kultur ist außergewöhnlich. Vor zwei Jahren sah ich erstmals zwei Arbeiten von ihr in einer Ausstellung. Diese Malerei war und ist anders, sie zeigt sich erfrischend, obwohl sie das angesichts ihrer Thematik nicht sein sollte. Für die Whu Realismus Show wählte sie die Geisha als Leitmotiv, allerdings im Umkehrmodus deren wahrer Geschichte. Der Herr wird hier zum Spielobjekt, er wird verkehrt rücklings am Kopf der Geisha umgeschnallt. Er ist nur mehr ein zum Accessoire degradiertes Objekt, eine Maske, die sie als Trophäe trägt. Sie, die Geisha ist die Königin der Nacht, der alle Männer zu Füßen liegen, während sie ihrer Männlichkeit und Würde beraubt werden. J. Lehninger zelebriert Malerei und spielt mit ihr. Im Tafelbild zeigt sie mit hoher Konzentration und Genauigkeit in dem auf Leinwand gemalten Gemälde eine Mischung aus verzerrter barocker und expressiver Chaure Malerei. In einem kleinen Galerie Raum, in dem Yan Wong und Amanda Du ein Video zeigen, stellt Lehninger in der Videoüberblendung ein kleines, auf dicken Plexiglaskästen gemaltes Gemälde. Ein junges japanisches Punk Girlie, grell und stellenweise rückwändig bemalt, überzeichnet das Bild im Bild und wird durchbrochen und verfremdet von der Überblendung des Videos. Dem Kontext des Ernsthaften in der Kunst, die Verrücktheit und das Lächeln zurückzugeben, erscheint hier als Anspruch gegenüber dem Mainstream als ein gelungenes Experiment. 

Yun Wang studierte Klavier und Gesang und verweist auf ein abgeschlossenes klassisches Musikstudium bevor sie nach Europa kam, um hier Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu studieren und abzuschließen. Ihre Arbeit ist im Übergang vom traditionellen chinesischen Aquarell und Bildkontext abgeleitet und weiterentwickelt, sie manifestiert sich aber in den noch gegenständlichen Arbeiten als viel expressiver gemalt, als es die chinesische alte Tradition erlaubt hätte. Sie benützt die Sujets, sie bedient sich ihr als Metapher, sie sind ein Zitat am Weg zur Abstraktion. Aus einiger Entfernung wirken ihre Gemälde bestechend hyperreal gemalt, steht man davor, wird eine Heftigkeit spürbar und Wildheit sichtbar, die Genauigkeit nur simuliert. Yun Wang verwendet den chinesischen Kontext der frühen Aquarell Malerei als konstruktives Konstrukt, setzt ihn mit virtuoser Expression in eine Form und einen abstrahierten Kosmos in den noch reduziert gegenständlichen Gemälden. In den schon abstrakten Bildern, die bereits auf Farbflächen und teilweise auf einzelne Pinselstriche reduziert sind, arbeitet sie sehr sparsam mit Pastellfarben und Kreide gezeichnet über die getrocknete Ölmalerei, als sei sie in einem Guss entstanden, setzt sie eine Notation, die vom Gemälde mit besonderer Leuchtkraft abgestrahlt wird. Wir stehen vor einem abstrakten Bild von Yun Wang und bekommen die Empfindung vermittelt, es handelt sich um ein chinesisches Abbild, doch absolut nichts in diesem Bild wäre und ist jemals in der antichinesischen Kunst kontextuell so verwendet worden. Einfach große Malerei!

Mir bleibt der Wunsch auf den Lippen auszusprechen, Amanda Du | Jeanine Lehninger | Yun Wang | Moka Sheung Yan Wong und ihren feinsinnigen Arbeiten eine erfolgreiche Zukunft zu wünschen.

Alfred Al. Graselli Juni 2019